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Diva mit Allüren sorgt für Frohsinn und Wohlgefallen

Die Blauburgundertraube bringt nicht nur einen erlesenen Wein hervor. Die kapriziöse Primadonna prägt auch die Schaffhauser Landschaft. Und der Weinbau verleiht den Ortsbildern ihren einzigartigen Charme. Die önologischen Verfahren werden weiterentwickelt und alte Kellertraditionen wieder entdeckt.

Text: Hansjörg Egger | Fotos: module+

CAL 6-04 ist nicht die Artikelnummer für eine sechskantige Schraubenmutter. Das Kürzel steht für eine lange namenlose Rebe. Eine Probesorte, die der zukunftsorientierte Jungwinzer Markus Stamm gesetzt hat und die nach über zehnjährigem fürsorglichem Aufpäppeln unter dem Sortennamen Sauvignac erstmals in den Verkauf gelangte. Der Rebbaufachmann aus Thayngen ist Winzer aus Leidenschaft. Er baut nicht weniger als 25 verschiedene Rebsorten an und ist immer für ein Experiment zu begeistern. Sein Hauptaugenmerk wirft er indes, wie die meisten Schaffhauser Rebbauern, auf die Königin im Weinberg, die Blauburgundertraube, die im ganzen Schaffhauserland die berühmten leichten, fruchtigen oder kräftigen und körperreichen Spitzenweine hervorbringt.

Das Rebjahr startet mitten im Winter mit dem Rebschnitt. Beginnen die Pflanzen mit den wärmeren Tagen auszutreiben, eilt Stamm mit seinen Mitarbeitern mit der Anbindepistole in die Reben. Damit werden die Fruchtruten mit Bast und einem Drahtstück maschinell festgemacht. Das hat die Arbeit im Rebberg revolutioniert. «Mit der Pistole schaffst du, wenn du richtig schnell bist, 5000 Stöcke im Tag», schwärmt er. Sind die Triebe genügend lang, beginnt das Erlesen. Alle Doppel- und Kümmertriebe werden rausgebrochen. Dann heisst es warten, bis die Triebe so lang sind, dass sie in die Drähte eingeschlauft werden können. So um den 20. Juni beginnen die Blauburgundertrauben zu blühen und werden befruchtet. Dann werden sie einer weiteren Coiffure unterzogen, indem man sie gipfelt, das heisst ihnen die Spitzen nimmt.

Trotz maschineller Hilfe wartet auf die Winzer immer noch viel Handarbeit. Nachdem Farbumschlag erfolgen die regelmässigen Reifekontrollen.

Der Barrique reift in Eichenfässern, die in einheimischen Küfereien gefertigt wurden. Das Holz dazu stammt aus den regionalen Wäldern.

Anfang Juli, wenn die Reben verblüht sind, wird ausgelaubt, zuerst mechanisch mit dem Rollenentlauber, dann noch von Hand. Ziel ist es, um den 20. August fertig zu sein. Denn bald einmal erfolgt der Farbumschlag. Die allermeisten Beeren werden irgendwann blau. Jene, die grün bleiben, werden zu Boden geschnitten. Das ist nun auch die Zeit, wo die Vögel an den reifenden Beeren Gefallen finden, sodass nur Netze helfen, sie davon abzuhalten. Jetzt folgen für den Winzer die unruhigsten Tage und Nächte im Jahr. Tagsüber begibt er sich regelmässig zur Reifekontrolle in die Reben, probiert die Beeren und nimmt einzelne aufs Refraktometer, um über die Lichtbrechung ihren Zuckergehalt zu bestimmen. Und nachts hofft, bangt und betet er, dass ihm kein Unwetter die kurz bevorstehende Ernte verhagelt. Ist die Traube vollends ausgereift und der Winzer genügend nervös, wird die Ernte eingeläutet. «Erst wenn die letzte Traube drinnen ist, kann ich wieder so richtig durchschlafen», sagt der Thaynger. Nun bedarf es noch einiger Wochen der ausgeklügelten Kellertechnik, bis der Rebensaft schliesslich im Fass landet. Für den Barrique-Wein verwendet Markus Stamm ausschliesslich Eichenfässer aus regionalem Holz. Dabei hat er auch für kommende Generationen vorgesorgt, indem er in seinem Wald 400 junge Eichen gepflanzt hat. In hundertfünfzig Jahren stehen sie dann den Nachkommen für die Fassproduktion zur Verfügung.

Im Kanton Schaffhausen werden nicht weniger als siebzig Traubensorten gepflegt. Dominiert beim Weisswein der Riesling-Silvaner, ist es beim Roten der Blauburgunder. «Eine sehr schwierige Traube, die hohe Ansprüche stellt an die Lage des Rebbergs, den Boden und das Klima», sagt der Schaffhauser Rebbaukommissär Markus Leumann. Heute entstehen dank einer verfeinerten Kellertechnik gut ausgereiftem und schön durchgekeltertem Traubengut Weine, die man früher nicht für möglich gehalten hätte. Noch in den siebziger Jahren war der Blauburgunder als «saurer Clävner» verschrien. «Und heute müssen die Winzer schauen, dass ihnen die Säure nicht absackt und sie nachsäuern müssen», sagt der Rebbaukommissär.

«Mit der Anbindepistole schaffst du, wenn du richtig schnell bist, 5000 Stöcke am Tag.»

Markus Stamm, Oenologe WeinSTAMM, Thayngen

 

Schafuuser Wiiprob im Kreuzgang der ehemaligen Benediktinerabtei Allerheiligen. Schon die Benediktiner pflegten den Rebbau und tranken Wein statt Wasser.

«Früher war der Blauburgunder als ‹saurer Clävner› verschrieen, und heute müssen wir Acht geben, dass uns die Säure nicht absackt.»

Markus Leumann, Rebbaukommissär Kanton Schaffhausen

 

Es gilt als ziemlich sicher, dass die Römer vor 2000 Jahren am Reiat und Randen die ersten Stöcke setzten. Alte Schriften bezeugen, dass auch das Benediktinerkloster zu Allerheiligen schon im Jahr 1100 in Hallau Weinberge besass. Damals war es üblich, dass jeder Mönch täglich eine grosszügige Ration dieses Rebensaftes bekam, der für unseren heutigen Gusto bestimmt ungeniessbar gewesen wäre. Der «Wein» war zu dieser Zeit noch kein Genussmittel, sondern einfach ein sicheres Trinkmittel, weil das zur Verfügung stehende Wasser verunreinigt war und krank machte. Demgegenüber wusste man von der desinfizierenden Wirkung. «Es kam vor, dass man einem Kranken aus dem Staatskeller zur Stärkung eine Flasche Wein zukommen liess», weiss der Schaffhauser Staatsarchivar, Roland E. Hofer.

Dass man heute vom Blauburgunderland spricht, hat seinen historischen Grund. Denn der Blauburgunder, auch als Pinot Noir bekannt, ist im Schaffhauserland seit langer Zeit heimisch. «Es ist die Traube schlechthin, die sich bei DNA-Untersuchungen als diejenige Sorte herausstellte, die am nächsten mit der europäischen Wildrebe verwandt ist», sagt Beat Hedinger, der Geschäftsführer des «Schaffhauser Blauburgunderlands». Die Blauburgundertraube, die selber keine «Eltern» hat, ist in zahlreichen Züchtungen als Ahne nachgewiesen und gilt bei den Schaffhauser Rebbauern als Ursorte. Es waren dann in den 1930er-Jahren die ersten Herbstfeste, die mithalfen, den köstlichen Rebensaft weit über den Kanton hinaus bekannt zu machen. Auch heute laden Herbstsonntage, Traubenblütenfest und Weinproben in Rebhäuschen, Trotten, Scheunen, Beizen, auf malerischen Dorfplätzen oder im Kreuzgang des Allerheiligen in Schaffhausen zum Geniessen und Verweilen ein und erfreuen sich grosser Beliebtheit.

Der Weinbau hat auch die Schaffhauser Landschaft und die Ortsbilder massgeblich mitgeprägt. Dörfer wie Hallau, Wilchingen oder Osterfingen mit ihren stattlichen Häusern haben durchaus kleinstädtischen Charakter. Ohne das Rebwerk würde sich das Chläggi heute völlig anders präsentieren. Der Weinbau hat auch in der Stadt Schaffhausen seine baulichen und gesellschaftlichen Spuren hinterlassen. Man denke nur an die feudalen Zunfthäuser, wo man einander in den Stuben und Sälen ausschliesslich mit dem Zunftwein aus dem Silberbecher zuprostet. «Da hat sich über die Jahrhunderte nicht viel geändert», sagt Staatsarchivar und Zunftmeister Roland E. Hofer. Von einem Trinkgelage will er allerdings nichts wissen. Aber er gesteht ein, «der Konsum ist schon stattlich, um nicht zu sagen zünftig».



Weitere Informationen:

Webseite blauburgunderland.ch
Webseite der Schaffhauser Zünfte

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