Smart Farming

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Zukunft

Der Regenwurm in der digitalen Welt

Die Digitalisierung in der Landwirtschaft schreitet mit grossen Schritten voran. Und Schaffhausen ist bei der Entwicklung zukunftsweisender Technologien traditionell ganz vorne dabei. Einer, der sich über Smart Farming besonders freut, ist der gute alte Regenwurm.

Text: Hansjörg Egger | Film und Fotos: moduleplus

Als der Regenwurm schliesslich an der Erdoberfläche auftaucht, ist seine Wohnröhre bereits überflutet. Glück gehabt, denn der wolkenbruchartige Platzregen hat sein Röhrensystem in kurzer Zeit unbewohnbar gemacht. Die schwere Erntemaschine hat das Erdreich zusammengepresst und gleichzeitig die chemische Keule geschwungen und den letzten Strohhalm weggeräumt. Das hat für die Lebewesen im Boden zu einem ziemlich kärglichen Speisezettel geführt. Dabei müsste man doch als Regenwurm auf seinen Wanderungen kreuz und quer durch den Boden täglich das Sechzigfache seines Körpergewichts fressen und sich den Bauch mit humusreicher Erde und vermoderten Pflanzen vollschlagen. Das wiederum käme auch dem Bauern zu Gute, denn der Regenwurm ist sozusagen ein gratis schuftender Landarbeiter, der zusammen mit den Asseln, Springschwänzen und Millionen anderer Bodenbearbeiter auf natürliche Weise für genügend Luft im Erdreich sorgt. Sind diese Krabbler, Bohrer und Wühler nicht da, staut sich das Wasser, und der Boden ist tot, weil das organische Material verfault, statt verrottet.

Kaum vorstellbar, was im Erdreich so alles kreucht und fleucht. Unser Boden ist ein eigenes Universum. In einem Kubikmeter Erdreich wohnen mehr Lebewesen, als es Menschen auf diesem Planeten gibt. Und viele von ihnen sind noch unbekannt, weil die Kulturböden weniger gut erforscht sind als der Meeresgrund. Und nun ist es ausgerechnet die Digitalisierung in der Landwirtschaft, die den Bodenbewohnern Hoffnung bringt. Denn Smart Farming schont die Milliarden von Bodenlebewesen und macht sie zu Komplizen, die entscheidend mithelfen, dass die Lebensmittel naturgerecht und klimaschonend produziert werden können.

Mit Smart Farming fallen immer weniger Handarbeiten an und die Bewirtschaftung erfolgt ökologischer.

Die modernen Gerätschaften sind teuer. Diese Scheibenegge mit Sensor, Kamera und der entsprechenden Software kostet etwa so viel wie ein Auto der oberen Mittelklasse.

Es ist erstaunlich, wie viele Menschen unsere Böden schon ernährt haben. Im Fall des kleinen Dorfes Buch, am äussersten Zipfel des Kantons Schaffhausen, sind es rund achtzig Generationen, die dort seit der ersten Besiedelung die Felder und Äcker bestellen und von ihren Erträgen leben. Doch auf die Dauer kann es nicht aufgehen, wenn aus den Böden immer mehr herausgeholt und ihnen immer weniger zurückgegeben wird. Soll die Fruchtbarkeit erhalten bleiben, muss die Bewirtschaftung im Einklang mit der Natur erfolgen. Das sagt sich auch die Agronomin Martina Jenzer, die in Buch den Tannenhof führt und auf ihrem Betrieb das digitale Zeitalter eingeläutet hat. Schliesslich ist der Boden ein einzigartiges Gut, das so gepflegt werden soll, dass wir es guten Gewissens auch an unsere Kinder und Enkelkinder weitergeben können. Denn ein gesunder und ertragreicher Boden entsteht nicht von heute auf morgen. Der Humusaufbau dauert 15 bis 20 Jahre und der Anteil an nutzbarem Kulturland wird stetig kleiner.

Wie muss man sich nun dieses Smart Farming vorstellen? Da ist zum Beispiel der Mähdrescher, der mit einer digitalen Kamera am Schneidewerk durchs Weizenfeld fährt und gleichzeitig Geschwindigkeit, Position und Erntemenge aufzeichnet. Dabei wird über die ganze Fläche per GPS eine Ertragskarte erstellt. Mit dieser Information passt der Streuer dann im nächsten Jahr, wenn zum Beispiel Zuckerrüben angebaut werden, die Düngemenge exakt der natürlichen Bodenfruchtbarkeit an. Gibt der Boden zum Beispiel aus topografischen Gründen an einem Ort weniger her, reduziert das Gerät automatisch die Düngergabe. Ähnliche Ertragserhebungen werden in der modernen Landwirtschaft auch mit einer Drohnenaufzeichnung gemacht. Sie zeigt dem Bauern etwa einen wegen Magnesiummangel partiell schlechten Bewuchs auf, was vom Feldrand aus nicht erkannt worden wäre. Wertvolle Daten, die später in der softwaregesteuerten Bodenbehandlung berücksichtigt werden können.

«Das System muss erkennen, das hier ist Unkraut und das eine Sonnenblume, die ich stehen lassen muss.»

Martina Jenzer, Agronomin

 

Auch Future Farming kann die Erfahrung und das Knowhow der Bauern nicht ersetzen. Um die regelmässige Feldkontrolle mit den eigenen Augen kommt man auch mit digitalen Hilfsmitteln nicht herum.

«Mit Smart Farming können die Bauern nebenbei auch das Vorurteil des Hinterwäldlers loswerden.»

Martina Jenzer, Agronomin

 

Im Pflanzenanbau kann dank Digitaltechnik der Beobachter eingespart werden, der hinten auf dem Hackgerät hockt und die verschiedenen Werkzeuge wie Gänsefussschare, Zinken, Fingerarme, Winkelmesser und Striegel steuert und achten muss, dass nur das Unkraut entfernt wird. Das menschliche Auge wird durch Sensoren und eine Kamera ersetzt, die eine Sonnenblume, Zuckerrübe oder einen Maiskolben von einer Melde unterscheiden können. Dem Ackerunkraut wird dank dieser Technologie nicht mit Herbiziden und Fungiziden zu Leibe gerückt, sondern es wird samt Wurzel ausgerissen. Damit das System Unkraut von einer Sonnenblume unterscheiden kann, bedarf es natürlich einer Unmenge an hinterlegten Daten. «Ich kenne viele Daniel Düsentriebs, die ständig am Tüfteln sind, um ihre Geräte weiter zu optimieren», sagt Martina Jenzer. Doch ohne das über Generationen überlieferte Wissen, das Gespür für die Feldkontrolle und die stetige Begleitung der Kulturen geht es auch mit modernsten Mitteln nicht. Digital Farming ist nur ein Hilfsmittel, das den Bauern ihre Entscheidungen und ihre Arbeit auf dem Feld erleichtert und eine naturnahe Bewirtschaftung ermöglicht. «Und vielleicht hilft die zukunftsweisende Technologie ja auch mit, das Vorurteil abzubauen, die Bauern lebten alle noch hinter dem Mond und seinen nicht offen für Neuerungen», hofft Martina Jenzer. Und wie reagiert das bäuerliche Umfeld auf ihre Experimentierfreude? «Sehr interessiert und positiv», sagt die junge Betriebsleiterin. «Wir haben einen regen Austausch am Feldrand, wobei die mit Smart Farming bewirtschafteten Kulturen natürlich unter besonderer Beobachtung stehen.»



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