Digitaler Wandel

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Zukunft

Die Drohne: Digitalisierung aus der Luft

Ein einziger Drohnenflug statt wochenlangen Messungen von Hand: Das Schaffhauser Amt für Geoinformation hat das riesige Potential des kleinen Flugobjekts erkannt und setzt auf innovative Technologien – etwa für die Landwirtschaft oder für den Hochwasserschutz. Was leistet der zukunftsträchtige Helfer in 150 Metern Höhe genau?

Text: Markus Bührer, kommpass GmbH | Fotos: z.V.g.

Es ist windstill im Herblingertal, die Sonne steht steil am Himmel. Urs Gyseler wirft einen letzten prüfenden Blick nach oben, untersucht sorgfältig alle vier Himmelsrichtungen. Dann ist er zufrieden, drückt auf seinem Tablet den Startknopf. Die auffällig orange Drohne beginnt leise zu surren, wird dann lauter, während sich die Rotoren auf einen Kraftakt vorbereiten. Staub wirbelt auf und das Fluggerät schiesst einer Rakete gleich senkrecht in den Himmel. Nach wenigen Sekunden ist es bereits 50 Meter über Boden – und kippt plötzlich vornüber. Urs Gyseler verzieht keine Miene: Das Manöver ist so vorgesehen. Sanft gleitet die Drohne nun auf ihren zwei Tragflächen dahin und schraubt sich im Kreis weiter in die Höhe. Das monotone Surren ist bald kaum mehr wahrnehmbar: 75 Meter, 100 Meter, 150 Meter – dann ist sie auf der geplanten Flughöhe angekommen. Sie verlässt den vertikalen Trichter und macht sich auf ihren rund halbstündigen Weg, auf dem sie 30 Kilometer zurücklegt und hochpräzise Luftaufnahmen von 100 Hektaren Land macht.

Smart Farming und Hochwasserschutz
Die Technologie der Hightech-Drohne ist beeindruckend. Wirklich innovativ ist aber, was Hannes Schärer und sein Team vom Amt für Geoinformation aus den Luftaufnahmen machen. Eines ihrer Steckenpferde, an dem sie seit Jahren mit der Fachhochschule Nordwestschweiz und dem Schaffhauser Landwirtschaftsamt arbeiten: Grundlagen für die digitale Landwirtschaft. «Für Landwirte ist es enorm wichtig zu wissen, welche ihrer Nutzflächen wie fruchtbar sind», weiss Schärer, der nebenbei selbst als Winzer seine Rebberge pflegt. Je nach Fruchtbarkeit passen sie die gepflanzten Kulturen an und erhöhen oder reduzieren die Düngermenge. «Mit unseren Daten können wir das bäuerliche Gespür für den Boden mit harten Fakten untermauern.» Dazu lässt sein Team die Drohne mit einer Falschfarbenkamera abheben, die ein bestimmtes Farbspektrum misst und so den Chlorophyllwert der Pflanzen erkennt. Künstliche Intelligenz wertet diese Daten aus und liefert dem Landwirt schliesslich eine detaillierte Karte, die das Potential des Bodens farbig aufzeigt.

Mit einer Falschfarbenkamera werden besonders fruchtbare oder unfruchtbare landwirtschaftliche Flächen einfach erkannt und gekennzeichnet.

In einem einzigen Drohnenflug lassen sich hunderte von Aufnahmepunkten automatisiert definieren. Die verschiedenen Aufnahmen werden dann zu einem hochpräzisen Gesamtbild hochgerechnet.

Die landwirtschaftliche Nutzung ist nur eines der fast unbegrenzten Anwendungsfelder, die sich Hannes Schärer vorstellen kann. Nach dem diesjährigen Jahrhunderthochwasser, welches das Schaffhauser Randental hart traf, ist auch das Thema Hochwasserschutz aktueller denn je. Schärers Team kann dazu in 3D-Modellen die Topografie, Bodenbeschaffenheit und Vegetation darstellen und legt so die Grundlage, um Ernstfallszenarien zu berechnen und Gefahrenzonen zu definieren. Dabei treffen die verschiedensten Fachrichtungen aufeinander – gemäss Schärer ein Erfolgsfaktor der Digitalisierung: «Einen echten Mehrwert für alle schaffen wir dann, wenn wir interdisziplinäres Expertenwissen mit digitalen Technologien kombinieren.»

Millionen Messpunkte mit einem Flug
Das Amt für Geoinformation hat einen technologischen Wandel hinter sich, der seinesgleichen sucht. «Noch bis in die 2000er-Jahre wurden Vermessungsdaten auf Aluminiumtafeln aufgetragen und so gespeichert», erinnert sich Hannes Schärer. Seit 2014 sind alle Vermessungsdaten digital erneuert und frei von geometrischen Verzerrungen. Damit kann die Satellitentechnologie auch für sehr genaue Arbeiten uneingeschränkt genutzt werden. Als Wendepunkt gilt das Jahr 2012, als handelsübliche Computer eine Rechenleistung erreichten, die eine weitgehende Digitalisierung und Automatisierung in der Geomatik überhaupt erst erlaubten. Diese erlaubt nicht nur innovative Technologiesprünge, sondern ermöglicht es auch, Geodaten schneller, aktueller, günstiger und bedarfsgerechter zur Verfügung zu stellen – eine enorme Steigerung der Effizienz. «Wenn unsere Geometer früher nach einem Arbeitstag mit 100 Messpunkten zurück ins Büro kamen, waren sie Helden», so Schärer. «Heute können wir mit einem Drohnenflug Millionen von Punkten messen.»

«Mit unseren Daten können wir das bäuerliche Gespür für den Boden mit harten Fakten untermauern.»

Hannes Schärer, Kantonsgeometer Kanton Schaffhausen

 

Vor jedem Drohnenflug werden die verantwortlichen Stellen wie Behörden und Eigentümer informiert. Das gilt speziell, wenn z.B. Schulen überflogen werden – wie hier das Schulhaus Gräfler in Schaffhausen.

«Heute können wir mit einem Drohnenflug Millionen von Punkten messen.»

Hannes Schärer, Kantonsgeometer Kanton Schaffhausen

 

Der rasante technologische Fortschritt ist möglich, weil Schärer die richtigen Mitarbeitenden hat. «Bei uns arbeiten Menschen, die für Technik brennen und bereit sind Prozesse zu verändern und zu automatisieren», erzählt er stolz. Urs Gyseler, einer dieser Menschen, hat während der letzten 30 Minuten den Blick nicht von seiner Drohne abgewendet, die im vordefinierten Zickzackkurs das Herblingertal durchmisst. Noch eine letzte Kurve, dann hat sie ihre Arbeit für heute erledigt. Spiralförmig verliert sie nun an Höhe, dreht sich wieder in die Vertikale und trifft schliesslich mit einem kleinen Poltern genau dort auf dem Boden auf, wo sie vor einer halben Stunde abhob. Im Speicherchip der Kamera warten rund 700 hochaufgelöste Luftaufnahmen darauf, im Computer miteinander verknüpft und über Nacht in automatisierter Berechnung zu einem millimetergenauen Modell verarbeitet zu werden. Wozu es noch dienen wird, ist nur eine Frage der menschlichen Fantasie.



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